Beitrag des NDR

Urnengräber Streit um Friedhofs-Alternative

In der Sendung Markt am 08.06.2015 befasste sich Susan Penack mit dem Thema „Urnengräber Streit um Friedhofs-Alternative“. Da der Beitrag nur für begrenzte Zeit auf der Homepage des NDR zur Verfügung stehen wird finden Sie hier eine wörtliche, ungekürzte und unkommentierte Mitschrift:

Sprecher: Das Kummerfelder Gehege bei Pinneberg. Normalerweise ist der Wald in beliebtes Ausflugsziel für Spaziergänger aus der Umgebung. Doch noch in diesem Jahr soll aus dem Wald ein Waldfriedhof werden. Und zwar einer der größten in Deutschland. Die Landesforste Schleswig-Holstein haben lange für diese Idee gekämpft.

Klaus-Dieter Schmidt (Landesforste Schleswig-Holstein):  Wir sind als Schleswig-Holsteinische Landesforsten gehalten, möglichst wirtschaftlich zu denken. Es gibt bei uns im Wald nicht nur die Holzwirtschaft, sondern wir haben auch andere Betätigungsfelder. Und, so profan es klingt, auch ein Bestattungswald zählt dazu.

Sprecher: Bis zu 500 Menschen könnten hier pro Jahr bestattet werden, kosten soll die Grabstelle zwischen 500 und 2000 €. Der Baum bestimmt den Preis:  je älter, desto teurer.

Klaus-Dieter Schmidt: An so einem sogenannten Biotop-Baum kommen 12 Urnen mit der Zeit, also es gibt 12 Beisetzungsplätze, angeordnet in zwei gedachten Kreisen um den Baum.

Sprecher: Im 50 Kilometer entfernten Buxtehude gibt es bereits seit 2006 einen Urnenwald. Die Grabpflege übernimmt die Natur. Auf Wunsch markiert eine kleine Plakette mit dem Namen des Verstorbenen das Grab. Die Urnen bauen sich biologisch ab. Bestattung unter Bäumen: Was halten die Pinneberger davon?

O-Ton 1: „Also A: wäre mir das recht egal und B: mag ich Wälder.“

O-Ton 2: „Da bin ich irgendwie wohl so ein bisschen alt und hausbacken, sag ich mal…nö, Würd´ ich nicht machen.“

O-Ton 3: „Es kommt immer darauf an: was wäre das für ein Wald und wie sieht meine Verwandtschaft das.“

O-Ton 4: „Die Nachkommen haben nicht die Arbeit mit dem Grab. Die brauchen das nicht versorgen und es ist trotzdem schöner, als meinetwegen auf so einer Wiese. So was finde ich ganz nett.“

Sprecher: Weniger Grabpflege und geringere Kosten, zwei Gründe weshalb sich immer mehr Menschen für eine Beisetzung im Urnenwald interessieren. Doch es gibt Kritiker: Andreas Morgenroth, Landschaftsplaner aus Hamburg. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verbreitung von Urnenwäldern zu stoppen. Deutschlandweit. Und macht damit Schlagzeilen: „Friedwald in Goch verhindert“, „Der Krach um die letzte Ruhe“, „Kummerfeld: Ärger um den Urnenwald“. Egal, wo ein Urnenwald geplant wird: Andreas Morgenroth ist vor Ort. Zur Derzeit in Pinneberg, fast jede Woche inspiriert er das Pinneberger Gehege.

Andreas Morgenroth: Also hier kommt es mir so vor, als ob hier schon eingegriffen wurde. Hier haben zum Beispiel Sägearbeiten unlängst stattgefunden, das ist gut zu erkennen. Ja, ist wunderschön jetzt in der Blütezeit. Ich mag gar nicht treten, so schön ist das hier.

Sprecher: Morgenroth ist überzeugt: Urnenwälder sind für den Wald eine Gefahr und für den Menschen.

Andreas Morgenroth: Wenn sie sich jetzt hier umgucken: es ist keiner da, außer uns. Was ist wenn der Oma was passiert, auf ihrem Gang zum Grab hier, wenn sie stürzt bei diesen Verhältnissen hier im Wald, was passiert dann? Also das sind ja auch alles Aspekte. Auch so Sachen wie diese… Wir haben ja ein bisschen ein Mückenproblem hier heute. Es gibt nicht nur Mücken, es gibt auch den Holzbock, es gibt den Eichenprozessionsspinner. Das sind richtig bedrohliche Insekten.

Sprecher: Die größte Gefahr jedoch, sieht Morgenroth in der Asche der Verstorbenen. Er sagt, sie enthalte Stoffe, mit denen Boden und Grundwasser vergiftet werden. Seine These stützt er auf Laboruntersuchungen.

Andras Morgenroth: Es wurde festgestellt, dass Aschen Chrom-VI belastet sind. Chrom-VI gehört nun gar nicht in den Wald. Chrom-VI ist bekannt als krebserregend, als erbgutverändernd, das darf auf gar keinen Fall in die Nahrungskette gelangen und es darf vor allem nicht ins Wasser gelangen.

Sprecher: Ist die Asche wirklich so gefährlich? Tatsächlich können Kremationsaschen unterschiedliche Schwermetalle enthalten. Sie gelangen schon zu Lebzeiten in den menschlichen Körper oder entstehen beim Einäschern. Aber sind die Konzentrationen wirklich so hoch, dass sie den Wald vergiften könnten, so wie Morgenroth es darstellt?

Sven-Jörg Sobolewski (Feuerbestattung Stad e.V.): Grundsätzlich halte ich das, gelinde gesagt, für eine abstruse Behauptung.  Und erstmal verbietet es sich, über Menschen von Giftstoffen oder Sondermüll zu reden. Wenn es aber so sein sollte, ist die angenommene Kontamination sehr geringfügig, sodass von der Asche, dem Mineral des einzelnen Verstorbenen, absolut keine Gefahr ausgeht.

Sprecher: Sehr gering sei das Risiko, zu dem Ergebnis kommen auch Forstwissenschaftler der Uni Freiburg. Auf einem klassischen Friedhof sei die Schwermetallbelastung sehr viel höher, denn da gibt es viel mehr Gräber auf engerem Raum. Doch Morgenroth kämpft nur gegen Urnenwälder. Er hat enge Verbindungen zu denen, die an klassischen Friedhöfen verdienen: Steinmetze und Grabsteinproduzenten. „Gemeinsam stark“: Das Foto von der Jahreshauptversammlung deutscher Natursteinverarbeiter, zeigt auch Andreas Morgenroth. Er hält viele Vorträge für den Verband. Für die Steinmetze geht es auch um Geld, denn in einem Urnenwald gibt es keine Grabsteine. Morgenroth macht Stimmung für sie, gegen Urnenwälder.

Andreas Morgenroth: Ein ausschließlich kulturelles Interesse steckt hinter meiner Arbeit, ein ausschließlich kulturelles Interesse. Ich bin ein Überzeugungstäter und ich bin der Auffassung, wir brauchen Friedhöfe. Es ist ja nicht so, dass ich hier einen Job habe von Steinmetzen im Hintergrund, die mir jeden Monat tausende von Euros überweisen, damit ich hier mit Ihnen spreche. Das mache ich jetzt sozusagen in meiner Freizeit.

Sprecher: Ein sehr aufwendiges Hobby also. 157 Urnenwälder gibt es bereits in Deutschland. In Pinneberg stehen noch einige Gutachten aus, doch diesen Urnenwald wird Morgenroth nicht verhindern, sagen die Landesforste Schleswig-Holstein.

Klaus-Dieter Schmidt: Man darf nicht glauben, dass das Land hier nun eine eigene Fläche vergiften lässt, nur um Geld einzunehmen.

Sprecher: Im Herbst soll es soweit sein. Dann können hier im Kummerfelder Gehege die ersten Bestattungen stattfinden: Unter Bäumen, ganz ohne Grabstein.

 

Die Sendung wurde am 8.06.2015 um 20:15 Uhr im NDR ausgestrahlt.

http://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Pinneberg-Urnenwald-Gegner-stiftet-Unfrieden,ruheforst110.html