„Westfalen-Blatt“ von Jürgen Köster, Letzte Ruhestätte unter alten Eichen
Südlicher Teil des Neuenheerser Bollberges bietet perfekte Struktur für Urnenbestattungen
Neuenheerse. Die letzte Ruhestätte unter 200 Jahre alten Eichen, zwischen mächtigen Buchen und edlen Nadelgehölzen, im Schatten von Ahorn oder Roterle: Im Bollberg bei Neuenheerse soll ein Ruheforst entstehen, der diese Möglichkeit bietet.
Die traditionelle Grabpflege ist vielfach nicht mehr gewährleistet, in Ballungsräumen fehlt es an Platz, um Friedhöfe auszuweiten, die Zahl der Urnenbestattungen steigt. Die Forstwirtschaft verzeichnet magere Jahre. Auch vor diesem Hintergrund stieß der Vorschlag des Staatlichen Forstamtes Bad Drieburg im Bezierksausschuss Neuenheerse auf Zustimmung, im Bollberg einen Ruheforst einzurichten. Stadtförster Friedhelm Gieffers stellte das Konzept dem Gremium vor. Nur ein Ausschussmitglied stimmte gegen eine Ausweisung. Zwei Politiker enthielten sich der Stimme.
Der Ruheforst ermöglicht laut Gieffers eine Urnenbestattung im Wald. Zwei Unternehmen befassten sich zurzeit in Deutschland mit der Thematik. Die Kirche habe sich inzwischen loyal dazu gestellt, führte der Förster aus. Zehn bis 15 Hektar reichten aus, um einen Ruheforst auszuweisen. In diesem gebe es nur „Relativ gelinde“ Auflagen – im Gegensatz zu einem Friedwald, dem geradezu eine „Käseglocke“ übergestülpt werde.
In einem Ruheforst würden zahlreiche RuheBiotope ausgewiesen, in denen zwischen einer und zehn Urnen beigesetzt werden könnten. Wie Gieffers ausführte, habe das Forstamt mehrere Standorte im Stadtwald auf ihre Eignung hin untersucht – unter anderem an der Iburg oder auf dem Steinberg. „Favorisiert wurde jedoch der Bollberg“, erklärte Gieffers, „dessen Waldstruktur ist perfekt geeignet und sucht weit über die Region hinaus ihresgleichen“.
Der südliche Teil des Berges (etwa 15 Hektar) solle für das Vorhaben genutzt werden. Ein Betreten sei auch weiterhin möglich – allerdings in einer der Umgebung angemessenen Form. Fragen der Ausschussmitglieder hinsichtlich der Parkplatzsituation beantwortete Gieffers mit dem Hinweis auf die vom Ausbau der Bahnlinie vorhandenen Ausweichstellen für Lkw sowie die Stellplätze am Jugendzeltplatz.
Eine kleine, einfache Gedenkstätte mit einem Holzkreuz und drei oder vier Ruhebänken gehöre ebenfalls zum Konzept. „Der Wald wird für 99 Jahre aus der Nutzung herausgenommen, wir sorgen für die Verkehrssicherheit“, informierte der Stadtförster weiter. Ruheforste gebe es bisher in der Nähe im Reinhardswald, in Kalletal und in Bad Laaspe. Ein Vorteil sei, dass der Wald in seiner Ursprünglichkeit erhalten bleibe. Eine klassische Grabpflege werde es nicht geben. „Die Pflege übernimmt die Natur“, erklärte Gieffers auf. Die Biotope würden mit kleinen Marken ausgewiesen, in einem Kataster aufgenommen und auf einem Lageplan eingezeichnet. Die Urnen – häufig aus Holz hergestellt – werden laut Gieffers etwa 60Zentimeter tief eingegraben. Die Bestattung könne anonym erfolgen oder es könne ein dezentes Schild auf die Ruhestätte hinweisen. Grabschmuck sei verboten. Große Schilder sollten an den Hauptverkehrsstraßen auf den Ruheforst hinweisen.
Wie Ausschussvorsitzender Franz-Josef Nöltker ausführte, könne das Projekt für Neuenheerse nur positive Auswirkungen haben. Beispielsweise sei auch denkbar, dass Teilnehmer einer Trauerfeier oder Besucher eines Ruhebiotops sich noch länger im Bereich des Stausees aufhielten oder den Ort selbst aufsuchten.
Forstdirektor Ernst Heinrich Uber verwies auf die geänderten sozialen Verhältnisse und die finanziell schwierige Lage, in denen sich zahlreiche Familien heute befänden. Andererseits sei auch die merkantile Seite des Projektes beachtenswert. Die Frage sei, wie sich beides miteinander seriös miteinander verknöpfen lasse. Und: „Wenn es nicht im Stadtwald realisiert wird, dann eben im Staatswald“, unterstrich der Forstamtsleiter.