„Der Tod war und ist Triebfeder und Motiv vielfältigen kulturellen und künstlerischen Schaffens. Die Art und Weise, wie Menschen der Todesthematik begegnen und mit ihr umgehen ist je nach Kulturkreis und geschichtlicher Epoche unterschiedlich“, sagt Sylvie Assig, Kulturwissenschaftlerin aus Lüneburg.
Im Mittelalter war das Grab der Wohnort der Toten. Die Lebenden fürchteten den Einfluss der Verstorbene. Dann weckten die Kirchen eine Heilserwartung, die Kraft der Toten wurde durch christliche Symbole gebrochen.
16. Jahrhundert: Mit der Verlegung der Friedhöfe an die Ränder der Städte, auch aus hygienischen Gründen, begann die Säkularisierung (Verweltlichung) der Friedhöfe. Bereits hier wurde die Gesundheit und das Interesse der Lebenden in den Mittelpunkt gestellt. Die Aufklärung nahm zudem die Angst vor der Rache der Toten.
Im 18./19. Jahrhundert wurde der Friedhof der Ort der einst Lebenden. Das aufstrebende Bürgertum setzte sich selbst Denkmäler. Eine gesellschaftsorientierte, hierarchische Ordnung entstand. Das Leben des Verstorbenen und die Würdigung als eigenständige Persönlichkeit rückten in den Vordergrund.
Im 20. Jahrhundert wurde der Friedhof zum Objekt technokratischer Städteplanung, die parallel eingeführte Genehmigungspflicht für Grabmahle spiegelt diese neue Bewegung. Das Ende des Grabmalkultes war hiermit besiegelt. Politisch setzte sich die Idee vom gleichen Recht für alle, der Demokratie, in Deutschland endgültig durch.
Im 21. Jahrhundert ist der gewählte Bestattungsort nun ein Ort für die Trauernden, also ein Ort für die Lebenden. Die Vorstellung von Bestattung wird nicht mehr hauptsächlich von der Gesellschaft oder den Nachlebenden geprägt, sondern vom endlichen Individuum selbst. Es gibt nach wie vor auch eine kollektive Erinnerung, aber der Einzelne entscheidet, in welcher Form er daran Teil hat. Pflegelose Grabanlagen werden bevorzugt. Die Kosten stehen dem erwarteten Nutzen gegenüber. Ein Wertewandel ist zu erkennen, Sinnfragen werden gestellt. Die Unterstellung der Gleichgültigkeit greift nicht: Der Aufwand z.B. für eine Waldbestattung von der ersten Informationsführung über die bewusste, aktive Auswahl des Baumes bis zur Gestaltung der Beisetzung ist größer, als bei der herkömmlichen Bestattung.
Der Trend zur alternativen Bestattung ist Ausdruck einer kulturellen Veränderung, die ihren Ursprung im politischen, demografischen, konfessionellen und wissenschaftlichen Bereich hat.
Quelle: Sylvie Assig: „Waldesruh statt Gottesacker“ , 2007 ibidem-Verlag: ISBN: 978-3-89821-737-8